Der Wind strich über die Baumkronen und ließ dessen Zweige und Blätter tanzen, während sich leichter Nieselregen auf Pflanzen und Tieren niederlegte. Alle Tiere hatten sich nun im trockenen Unterholz versteckt oder sind in ihre kleinen Höhlen gekrochen, bis auf eine graue Katze. Es war eine Kätzin, die offensichtlich nichts gegen die Nässe hatte, ganz im Gegenteil. Sie schien diese zu genießen. Ihren Kopf in den Himmel gestreckt und die schönen Geräusche des niederfallenden Regens tief verinnerlichend, hörte sie plötzlich Pfotenschritte hinter sich. Am Geruch konnte sie ihren Bruder erkennen. Ohne sich umzudrehen, sprach sie mit ruhiger Stimme zu ihm.

"Hallo, Habichtschatten. Was führt dich zu mir?"

Der schwarz- weiße Krieger gesellte sich zu ihr und setzte sich neben sie. Ihr ernster Blick schweifte in die Ferne und ließ ihn nachdenklich wirken, was nicht sonderlich oft vorkam. Deshalb fragte sie vorsichtig nach:

"Ist alles in Ordnung?²

Nun sah sie ihn mit besorgten Augen an. Die schwarze Katze schüttelte nur bedächtig den Kopf und seufzte. Regenblüte konnte sich den Grund für die vernehmliche Trauer in seinem starken Herzen wohl oder übel denken: Der zweite Anführer war tot und so musste ein neuer gewählt werden. Ihre Theorie bestätigte sich bei seiner Aussage.

"Ich mache mir Sorgen. Vielleicht werde ich ja gar nicht zum zweiten Anführer erwählt. Oder ich werde zu genau diesem ernannt und letztendlich vermiese ich alles."

Die graue Kätzin nickte leicht und verstand nur allzu gut. Habichtschatten war jemand, der nicht immer gute Entscheidungen traf, sondern so ziemlich alles falsch machte- das genaue Gegenteil zu Regenblüte. Sie dachte kurz nach und sprach mit liebevoller und beruhigender Stimme weiter.

"Hey, ich stehe doch immer hinter dir, egal, was passiert. Das weißt du doch. Außerdem werde ich dir immer meine Hilfe als Stütze bieten."

Sie schnurrte und kuschelte sich in das Fell des kräftigen Kriegers. Dann hörten sie hinter sich das ankündigende Miauen, das allen klar machte, dass sie sich zum Lager begeben mussten. Sie nickte ihm freundlich zu und trottete los. Nach kurzer Zeit kamen die Geschwister an und gesellten sich zu den anderen Katzen, die nun einen bunten Haufen bildeten. Lilienstern sprach und redete vom Tod ihres besten Freundes, den ehemaligen zweiten Anführer. Dann kam sie zu der Ernennung des zweiten Anführers.

"Ich habe lange darüber nachgedacht und bin fest davon überzeugt, dass es einen Krieger unter euch gibt, der besondere Talente hervorbringt und bei dem ich weiß, dass er nichts infrage stellt. Habichtfrost! Komm' bitte zu mir!"

Dann setzte das Herz der klugen Regenblüte einen Moment lang aus. Habichtfrost? Aber er darf doch nicht zweiter Anführer sein, er kann doch nicht einmal ein Eichhörnchen von einer Elster unterscheiden, dachte sie sich besorgt. Selbstverständlich dürfte sie es ihm nicht so sagen, da es ihn sehr verletzen würde. So ließ sich die graue Kätzin auch nichts anmerken, sondern gratulierte ihm. Irgendwie freute sie sich ja für ihren Bruder, aber sie hatte nun noch mehr Angst um ihren Clan und ihren Bruder. Doch sie sagte dies keinem und unterstützte ihn, wie versprochen, bei jeder Sache, an der er scheitern könnte.

Habichtschatten ist ein meist aggressiv wirkender Gesell, der mehr Feindschaften als Freundschaften aufzuweisen scheint. Mit seiner arroganten, selbstgefälligen Art eckt er schnell mit anderen Katzen an. Es fällt dem Kater schwer, jemandem zu zeigen, dass er diesen jemand mag, was hier und da zu Problemen führt.
Generell fühlt er sich schnell in seinem Stolz angegriffen, nimmt jedes Wort persönlich und ist nachtragend. Hat man einmal gegen ihn etwas gesagt, kommt man aus dem bodenlosen, schwarzen Abgrund, in den man in seinen Augen versinkt, nicht so schnell wieder heraus. Da helfen meist nicht einmal Komplimente, die er sonst so gern hört.
Katzen aus anderen Clans steht er feindlich gegenüber. Kommt es zu einer Begegnung, provoziert sein wichtigtuerisches Gehabe und gelegentliche Beleidigungen häufig einen Kampf, wo keiner hätte sein müssen. Habichtschatten verachtet Streuner und Hauskätzchen und auch ehemalige Katzen dieses Ranges. Das Gesetz der Krieger ist ihm so weit wichtig, als dass es alle Katzen zu Respekt ihm gegenüber verpflichtet, allerdings würde er es brechen, um an noch mehr Macht zu kommen.
Sein Clan ist in seinen Augen der beste aller Clans. Es wäre die Pflicht anderer, ihm zu helfen, allerdings würde Habichtschatten niemals um ihre Hilfe beten, dafür ist er viel zu stolz. Nur Katzen seines eigenen Clans können ihn dazu bewegen, eine Pfote für sie zu rühren.
Am liebsten ist Habichtschatten mit Katzen in Gesellschaft, die ihn bewundern. Oder mit Katzen, die er regelmäßig zusammenscheißen kann, denn er ist schwer zufriedenzustellen. Es mag für einige ein Wunder sein, dass er Zweiter Anführer wurde, aber der schwarzweiße Riese ist ein Naturtalend im Kämpfen und Jagen, außerdem bringt er Loyalität und Ehre mit, was ihn zu einem würdigen Stellvertreter macht, obwohl er nicht bei allen Katzen beliebt ist.
Stärken: taktisch klug ;; kämpfen ;; loyal
Schwächen: machthungrig ;; schwer zufriedenzustellen ;; hat viele Vorurteile
Vorlieben: er selbst ;; SonnenClan ;; Bewunderung ;; Komplimente
Abneigungen: Ignoranz ;; Dummheit ;; HalbClan Katzen ;; Streuner

Habichtschatten wurde zusammen mit seiner Schwester Regenblüte in der Kinderstube des SonnenClans geboren. Sein Vater und seine Mutter kümmerten sich gut und liebevoll um ihre beiden einzigen Jungen, die sie bekommen sollten. Das Verhältnis zu seinen Eltern war stets liebevoll und voller Vertrauen.
Als Habichtschatten Schüler wurde, konnte man schnell seine Führungsqualitäten, aber auch seinen Stolz und den grandiosen Dickkopf erkennen. Mit zehn Monden nahm er an seinem ersten Kampf teil und kehrte aus diesem beinahe unverletzt zurück.
Kurz nachdem Habichtschatten zum Krieger ernannt wurde, kam sein Vater in einem dramatischen Angriff eines Dachses ums Leben. Sein Verlust war sehr schwer für den noch jungen Kater, doch inzwischen hat Habichtschatten gelernt, mit ihm zu leben.
Im Gegensatz zu seiner Schwester, die bereits einen Wurf zur Welt gebracht hat mit ihrem Gefährten, hatte sich Habichtschatten nicht lange mit seiner Gefährtensuche aufgehalten, denn er hält Kätzinnen für das schwache Geschlecht. Vor drei Blattwechseln wurde er schließlich zum 2. Anführer auserkoren, nachdem der alte an Altersschwäche gestorben war.

Regenblüte genoss den leichten Nieselregen, der sich sanft auf das grau- blaue Fell der Kätzin legte. Im Dämmerlicht zirpten die Grillen ihr Lied und die Sonne, die sich durch die leichten Wolken drängte, tauchte den Wald vor ihr in ein helles Orange. Es war traumhaft schön. Regenblüte war so sehr im wundervollen Zauber der Natur versunken, dass sie das laute Rascheln bekannter Pfoten vorerst nicht wahrnahm. Erst als der schwarz- weiße Krieger neben ihr stand und sie anstupste, öffnete sie ihre leuchtenden Augen und sah ihren Bruder an.

"Guten Abend, Habichtschatten. Wie geht es dir?"

Habichtschatten nickte ihr freundlich zu, was er auch ausschließlich bei ihr machte. Anderen gegenüber war er immer ziemlich aggressiv, doch zu Regenblüte hat er nie etwas im Zorn gesagt.

"Mir geht es gut, danke. Wir sollen uns am Felsen sammeln, Lilienstern hat den zweiten Anführer ausgewählt und wird diesen nun preisgeben. Kommst du?"

Regenblüte nickte und setzte sich in Bewegung. Sie freute sich schon und erhoffte sich ihren zwar aggressiven, doch konsequenten Bruder als zweiten Anführer. Er hatte manchmal einen blöden Spruch auf Lager, klar. Aber er war ebenso ein ziemlicher Dickkopf und konnte sich ganz leicht und ohne Umschweife durchsetzen. Er wäre der richtige dafür.

"Meinst du, Lilienstern wird dich zum zweiten Anführer ernennen?"

Habichtschatten senkte im Trott leicht seinen Kopf und meinte nur knapp:

"Ich hoffe es."

Ohne ein weiteres Wort begaben sie sich zum angegebenen Platz. Sie gesellten sich zu den anderen Katzen und hörten aufmerksam der Rede ihrer Anführerin zu. Nach einer Weile kam sie dann zum Punkt: Die Ernennung des zweiten Anführers. Mehr als zuvor spitzte die junge Kätzin ihre Ohren und wartete auf den Namen.

"Ich habe lange darüber nachgedacht und euch beobachtet. Letztendlich bin ich zu einem Entschluss gekommen. Es wird ein Krieger sein, der sich mehr zum Clan bekennt, als irgendein anderer, den ich jemals kennen lernen durfte. Und der Name dieses loyalen und konsequenten Kriegers lautet: Habichtschatten!"

Der Krieger schreckte leicht auf, was jedoch aus überraschtem Glück kam. Regenblüte jaulte zustimmend auf, stupste dann seinen Bruder an und wartete die Zeremonie ab. Als diese dann vollendet war, rannte sie umgehend in ihn rein und legte ihren Kopf auf seine kräftige Schulter.

"Das hast du gut gemacht und ich bin mir sicher, dass du das ohne Probleme hinkriegst. Du bist ein mutiger, intelligenter und strenger Krieger, der die Gesetze des SternenClans einhält, ohne diese infrage zu stellen."

Ihre Augen leuchteten und sie freute sich wirklich sehr für ihren Bruder. Dieser Moment war einer der wenigen glücklichen in Habichtschattens Leben und das ließ Regenblütes kleines, jedoch goldenes Herzchen hüpfen.